E-Commerce Seller finden in Washington Gehör

E-Commerce Seller finden in Washington Gehör

Bislang hatte das Thema Sales Tax und dessen Auswirkungen auf Online-Händler auf nationaler Ebene in den USA nur wenig Aufmerksamkeit bekommen. Umso gespannter blickten viele E-Commerce Seller nun auf die Anhörung, die am 3. März 2020 in Washington stattfand.

Vor einem Untersauschuss des US-Repräsentantenhauses, dem sogenannten „House Small Business Subcommittee“ ging es um die Frage „South Dakota v. Wayfair, Inc.: Online Sales Taxes and their Impact on Main Street“. Also darum, welche Effekte die Online Sales Tax Thematik auf kleine Onlinehändler in den USA hat. Der Ausdruck „Main Street“ wird in den USA gerne verwendet um kleine, unabhängige Small Businesses zu beschreiben, die das Rückgrat der US-Wirtschaft darstellen.

Im Vorfeld der Anhörung hatten E-Commerce Akteure die Möglichkeit gehabt ihre Ansichten, Probleme und Sorgen bezüglich der augenblicklichen Sales Tax Situation schriftlich einzureichen. Vier von ihnen wurden nun nach Washington eingeladen, um ihre Aussagen vor dem Ausschuss vorzutragen. Die Standpunkte dieser Akteure haben wir im Folgenden zusammengefasst.

Steueranwalt Jamie Yesnowitz

Der Steueranwalt Jamie Yesnowitz, der im Namen des American Institute of Certified Public Accountants sprach, mache den Anfang. Yesnowitz‘ Hauptkritikpunkt am aktuellen Sales Tax System ist der Mangel an Uniformität, der es den einzelnen Akteuren unnötig schwer macht.

Compliance in einer Vielzahl von Staaten sei nur durch enormen Arbeitsaufwand zu erlangen und sei leider, gerade für kleine Händler, mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, so Yesnowitz.
Er sprach sich dafür aus, die Economic Nexus Schwellenwerte in jedem Bundesstaat zu vereinheitlichen und anzupassen. Es solle zudem nur noch der Umsatz im jeweiligen Staat relevant sein, nicht jedoch die Anzahl der Transaktionen.

Hinsichtlich des Umsatz-Schwellenwerts hält er eine Zahl von mindestens 500.000 Dollar, besser aber noch 750.000 oder 1 Mio. Dollar für sinnvoll. Der Schwellenwert sollte dabei lediglich steuerbare Transaktionen beinhalten, nicht jedoch Verkäufe an Wiederverkäufer und andere von der Sales Tax befreite Käufer.

Linda Lester, verkauft primär an öffentliche Einrichtungen

Linda Lester ist Vice President der Firma K-Log, die Schul- und Büromöbel verkauft. Der Großteil von K-Log‘s Kunden sind Schulen und Universitäten, also gemeinnützige und öffentliche Einrichtungen die in der Regel von der Sales Tax befreit sind. Nichtsdestotrotz zählen diese Transaktionen in den meisten Bundesstaaten zu den Economic Nexus Schwellenwerten. Da die meisten von K-Log’s Aufträgen in der Größenordnung von 50.000 Dollar liegen, sind die Schwellen in vielen Bundesstaaten (oftmals 100.000 Dollar) bereits nach wenigen Aufträgen erreicht. K-Log ist daher aktuell in 42 Staaten für die Sales Tax registriert. Die korrekte Aufstellung in all diesen Staaten dauerte über ein Jahr und hat laut Lester geschätzte 1500 Arbeitsstunden und knapp über 75.000 Dollar gekostet.

Um zu demonstrieren wie aufwändig Sales Tax Filings in manchen Staaten sind, präsentierte Lester ihre Sales Tax Akten für den Bundesstaat Colorado, in dem die Administration besonders komplex ist. 2019 füllten die Filings in den über 600 Counties des Bundesstaats weit über 2000 Seiten. Colorado gehöre zu den schlimmsten Staaten in punkto Sales Tax Compliance, andere Staaten wie z.B. Indiana, Kentucky oder New Jersey machten es hingegen Sellern deutlich einfacher, so Lester.

Nach Lester‘s Einschätzung sollten die Lieferschwellen deutlich angehoben werden, etwa auf 1 Mio. Dollar pro Bundesstaat. Für Out of State Seller sollte zudem ein einheitlicher Steuersatz pro Staat gelten, sämtliche Local Taxes sollten also wegfallen. Auch sollte es möglich sein, die Sales Tax für alle Staaten über ein zentrales Portal zu melden und abzuführen.

Seller Kevin Mahoney, verkauft primär über Amazon

Der für Amazon-Seller wohl interessanteste Beitrag kam von Kevin Mahoney. Er verkauft über seine Firma FindTape.com Klebeband und Klebstoffe, vornehmlich über das Internet aber auch über ein Ladengeschäft in New Jersey. 90% seiner Online Sales wickelt er über Amazon FBA ab, einen kleinen Teil über Ebay und vornehmlich für B2B Kunden auch über seine eigene Website.

Aufgrund der Nutzung von FBA löst Mahoney in einer Reihe von Staaten Nexus durch physische Präsenz (Lagerware) aus und ist somit verpflichtet sich zu registrieren und Sales Tax Filings abzugeben.
Zwar wird in den meisten Staaten inzwischen die Sales Tax von Amazon im Rahmen der Marketplace Collection erhoben und abgeführt, für die Verkäufe über andere Plattformen ist jedoch Mahoney für die Sales Tax Erhebung und Compliance verantwortlich.

Mahoney schätzt, dass er jeden Monat 2-3 volle Arbeitstage allein dem Thema Sales Tax widmet, um Daten aufzubereiten, Filings abzugeben und auf dem neuesten Stand bezüglich der Sales Tax Gesetze zu bleiben.

Mahoney hält eine Überarbeitung der Schwellenwerte für dringend notwendig. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, separate Schwellenwerte für „eigene Sales“ und „Marketplace Sales“ (also z.B. Amazon) zu definieren. Auch die Frage, ob Amazon Lagerware überhaupt Nexus auslöse sei nochmals zu überdenken. Ähnlich wie Lester plädierte Mahoney zudem für einheitliche Steuersätze und die Abschaffung der Local Taxes, sowie für eine zentrale Abgabestelle für Sales Tax Filings.

Seller Brad Scott, verkauft primär über den eigenen Shop

Brad Scott ist der Inhaber der Firma Halstead Bead, die Materialien und Werkzeuge für die Herstellung von Schmuck an Juweliere und Schmuckdesigner, aber auch an Bastler verkauft. 94% der Verkäufe finden über die eigene Website statt. Aktuell ist Halstead Bead in über 30 Staaten aufgrund des Überschreitens von Lieferschwellen Sales Tax pflichtig. In den meisten Fällen allein aufgrund der Anzahl der getätigten Transaktionen.  Die Umsätze sind, vor allem in kleineren Staaten, aufgrund relativ geringer Artikelpreise meist weit von den Schwellenwerten entfernt.

Infolgedessen gab Halstead Bead 2019 insgesamt über 180.000 Dollar für Sales Tax Compliance aus, um gerade einmal 80.000 Dollar an Sales Tax zu erheben und abzuführen. Brad Scott bezeichnet sich selbst als „unbezahlten Angestellten“ der Bundesstaaten und hat nach eigenen Berechnungen im vergangenen Jahr 3800 Stunden für Sales Tax Compliance geopfert.

Lösungen wie Streamlined Sales Tax, sind laut Scott zwar eine gute Idee, funktionieren allerdings nicht besonders gut. Auch mit der Leistung der für teures Geld beauftragten Sales Tax Dienstleister ist er unzufrieden. Allein 2019 bekam Scott 36 Mahnungen aus verschiedenen Bundesstaaten, weil Filings von seinen Dienstleistern überhaupt nicht, zu spät oder fehlerhaft abgegeben wurden.

In seiner Aussage fand Brad Scott klare Worte und bezeichnete die aktuelle Sales Tax Situation als existenzgefährdend und als „größte Bedrohung in über 40 Jahren Firmengeschichte“. Er habe sogar schon daran gedacht, das Geschäft aufzugeben.

Scott beanstandete, ebenso wie seine Vorredner, dass transaktionsbasierte Lieferschwellen nicht praktikabel seien und auch die umsatzbasierten Schwellenwerte dringend angepasst werden sollten.

Scott plädierte hierbei für eine strikte Abgrenzung von kleinen Händlern. Alle Unternehmen unter 30 Millionen Jahresumsatz fallen laut Scott unter die gängige Definition von „Small Business“. Diese Zahl sollte dann, z.B. gewichtet nach Einwohnerzahlen, auf die Staaten heruntergerechnet werden, um die lokalen Schwellenwerte festzulegen. So kann gewährleistet werden.

Er erinnerte außerdem daran, dass das North Dakota vs. Wayfair Urteil, das den Weg zu den Ecomomic Nexus Gesetzen erst ebnete, ein Urteil gegen einen Konzern mit 6 Milliarden Dollar Jahresumsatz war. Solche Firmen hätten die entsprechenden Ressourcen, um Compliance zu gewährleisten, nicht jedoch kleine und mittlere Unternehmen.

Fazit

Im Anschluss an die Aussagen der einzelnen Akteure stellte der Ausschuss weitere Fragen an die Seller und Anwalt Yesnowitz. Dabei wurde deutlich, dass den Politikern die wirklichen Ausmaße der Sales Tax Problematik bisher nicht klar waren. Es bestand jedoch Einigkeit darüber, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um kleine und mittlere Unternehmen nicht unnötig mit finanziellem und administrativem Mehraufwand zu belasten. Viele Amazon Seller und Steuerexperten, die die Anhörung per Stream verfolgt hatten, zeigten sich zufrieden mit der Anhörung und der Tatsache, dass die Sales Tax Problematik nun auch landesweit Aufmerksamkeit zu bekommen scheint.

Bei allem Optimismus bleibt jedoch abzuwarten, welche weiteren Schritte nun seitens der Politiker eingeleitet werden, um eine zufriedenstellende Lösung voranzutreiben. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise dürfte das Thema Sales Tax in Washington allerdings zunächst einmal wieder für unbestimmte Zeit in den Hintergrund rücken.

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