Der alltägliche Sales Tax Irrsinn – Neues aus Kalifornien

Der alltägliche Sales Tax Irrsinn - Neues aus Kalifornien

Brian Freifelder verkauft Bekleidung, Schuhe und Lebensmittel über Amazon FBA. Nun hat der 36-jährige aus Pennsylvania einen Steuerbescheid aus Kalifornien erhalten, laut dem er dem Bundesstaat 1,6 Millionen Dollar Sales Tax schuldet, die er nicht von seinen Amazon-Kunden erhoben hat. Und der Bescheid umfasst lediglich das erste Halbjahr 2019.

„Es ist absurd“ sagt Freifelder „ich habe niemals so viel Umsatz erzielt, um solch eine Steuerschuld zu generieren. Ich glaube selbst die größten Amazon Seller kämen nicht auf solch eine Steuerschuld in Kalifornien. Sie (die kalifornischen Behörden) wollen die Leute einschüchtern.“

Freifelder verkauft seit er 16 ist online. Angefangen hat er mit CDs, über Ebay. Er ist einer von wahrscheinlich Hunderttausenden von Amazon Sellern, die von den kalifornischen Finanzbehörden darauf aufmerksam gemacht wurden, dass sie bereits seit 2012 ihren kalifornischen Endkunden Sales Tax berechnen hätten müssen.

Bundesstaaten gehen vermehrt gegen Online Händler vor

Kalifornien aggressives Vorgehen gegenüber Händlern wir Freifelder ist nur ein Beispiel dafür, wie Bundesstaaten und deren Behörden verzweifelt versuchen Gesetzeslücken zu schließen, die durch das Internet und den Aufstieg des E-Commerce entstanden sind:
Diese Gesetzeslücken erlauben es Amazon zu argumentieren, es sei kein Händler (zumindest nicht für Marketplace Verkäufe), Uber sieht sich selbst nicht als Arbeitgeber und Facebook streitet ab, ein Publisher zu sein.

Als Amazon 2013 das erste FBA Lager in Kalifornien eröffnete, ließen sich die Behörden davon überzeugen, dass nicht Amazon für die Sales Tax verantwortlich sei, sondern die einzelnen Händler. Amazon gelang es dadurch, die Erhebung und Abführung der Sales Tax zu umgehen. Mittlerweile sehen viele Staaten dies anders und haben Marketplace Facilitator Gesetze verabschiedet, die Amazon verpflichten, sich um die Sales Tax zu kümmern. In South Carolina hat ein Gericht sogar entschieden, dass Amazon dem Staat Millionen von Dollar an Steuernachzahlungen für nicht erhobene Sales Tax schuldet.

Der Bundesstaat Kalifornien sieht das jedoch anders und argumentiert, dass Freifelder in dem Augenblick als seine Ware in einem kalifornischen FBA Lager eingelagert wurde, auch dort steuerpflichtig wurde. Auch wenn die Einlagerung ohne sein Wissen und nur auf Veranlassung Amazon’s stattfand.

Experten sehen aggressives Vorgehen der Bundesstaaten als kritisch

Jared Walczak, Direktor der Tax Foundation in Washington, bezeichnete das aggressive Eintreiben von (eventuellen) Steuerschulden, wie es von Kalifornien betrieben wird, als „extrem“ und „verfassungswidrig“, auch wenn die einzelnen Staaten durchaus einen gewissen Spielraum bei der Auslegung von Steuergesetzen haben.

„Rückwirkendes Handeln ist immer problematisch, aber in diesem Fall ist das Rechtsstaatsprinzip in Frage gestellt.“ so Walczak weiter. „Um dieses zu wahren, hätten die Beteiligten (hier die Händler) über die Gesetzeslage und ihre Pflichten informiert werden müssen, um entsprechend handeln zu können. Händler wurden jedoch nicht ausreichend informiert und konnten somit gar nicht wissen, dass sie all die Jahre Steuern hätten erheben müssen.“

Mittlerweile haben viele Staaten die Zuständigkeit bezüglich der Sales Tax eindeutig geklärt, in Kalifornien ist Amazon seit dem 1.Oktober 2019 verpflichtet Steuern auf alle Verkäufe von Händlern zu erheben und abzuführen, egal ob diese für Sales Tax registriert sind oder nicht.
Da der Bundesstaat nun Verkäuferdaten und Umsätze kennt, fällt es den Behörden umso leichter, Seller mit Nachforderungen zu. Dabei ist es nicht unüblich, dass, wie im Fall Freifelder, Steuerschulden einfach geschätzt bzw. hochgerechnet werden.

Die Sales Tax Unsicherheit behindert das Wachstum vieler Online Händler

Die Unsicherheit, die Kalifornien’s Sales Tax Politik verursacht hat, zwang Freifelder dazu, das Wachstum seiner Firma Philadelphia Media Exchange Corp. künstlich zu bremsen. Das Business war davor stetig gewachsen und hatte 2018 erstmals 3 Millionen Dollar Umsatz erreicht.

Begonnen hatte Freifelder im Jahr 2000, als ihn seine Liebe zur Musik und seine Abneigung gegenüber den hohen Preisen für CDs zu Ebay führten. Dort kaufte er blind CDs, 100 Stück für 200 Dollar. Er behielt die die ihm gefielen und verkaufte die anderen weiter.

Das Geschäft lief gut. 2005 verkaufte er auf großen Flohmärkten in Pennsylvania und den umliegenden Staaten und experimentierte gleichzeitig erstmals mit Amazon. 2010 eröffnete er ein Ladengeschäft im Norden von Philadelphia. Doch dann kamen die Streaming-Dienste, der Handel mit Tonträgern brach ein und Freifelder musste seine Läden schließen. Auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell stieß er auf Arbitrage-Geschäfte. Er begann, reduzierte Kleidung, Schuhe und Lebensmittel bei Outlet-Stores wie Marhalls, TJ Maxx, Ross und Burlington zu kaufen und auf Amazon teurer weiterzuverkaufen.

In seinem Lagerhaus stehen 14 große Tonnen in denen Freifelder Ware sammelt und sortiert: Under Armour Sportbekleidung, Ralph Lauren Poloshirts, Nicole Miller Taschen, was auch immer gerade günstig zu finden ist und gefragt ist. Die Artikel werden umverpackt und an Amazon weitergeschickt. Amazon übernimmt dann jeden Aspekt des Verkaufs an den Endkunden, von der Einlagerung, über die Logistik, bis zur Zahlungsabwicklung und den Kundenservice. Händler wie Freifelder bestimmen lediglich was sie verkaufen und zu welchem Preis.

Zu seinen besten Zeiten, vor der unliebsamen Post aus Kalifornien, hatte Freifelder acht Angestellte in seinem Lager, drei in Vollzeit und fünf in Teilzeit, sowie drei Freiberufler, die für ihn Ware einkauften. Die drei Freiberufler sind geblieben, aber im Lager arbeitet nur noch ein Angestellter, seine Ehefrau hilft an einigen Tagen pro Woche zusätzlich aus. “Ich fahre das Geschäft jetzt bewusst erstmal zurück, zumindest bis sich der Staub etwas gelegt hat“ sagt Freifelder „ich will nur sicher gehen, dass nicht in ein zwei Jahren eine noch absurdere Rechnung bekomme“.

Anwälte und sogar Kalifornien’s Finanzministerin unterstützen Seller wie Freifelder

Paul Rafelson, ein Sales Tax Anwalt und ehrenamtlicher Direktor der Online Merchants Guild bestätigt, dass es tausenden anderen Onlinehändlern ähnlich geht wie Freifelder:
“Die Händler schicken Ihre Ware an Amazon. Amazon verschiebt die Ware von einem Lager ins nächste, Amazon informiert die Händler nicht darüber. Amazon warnt die Händler nicht vor potenziellen Steuerpflichten, genauso wenig wie der Staat Kalifornien. Und Jahre später finden sich die Händler in einer Sales Tax Radarfalle wieder“ sagt Rafelson.

Unterstützung bekommen die Onlinehändler auch von Fiona Ma, der neuen kalifornischen Finanzministerin, die bereit im März den kalifornischen Gouverneur Gavin Newson in einem Brief dazu aufforderte, die Hetzjagd der Steuereintreiber auf Onlinehändler zu unterbinden.

“Die Händler sind nicht diejenigen, die für nicht erhobene Steuern verantwortlich sind. Außerdem ist es nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, kleinen Unternehmen solche Lasten aufzuerlegen“ so Ma weiter in Ihrem Brief. Freifelder selbst bleibt überraschend ruhig – für jemanden der gerade eine Rechnung über 1,6 Millionen Dollar erhalten hat. Wohl auch deswegen, weil er die Summe selbst für „bonkers“ (bescheuert) erklärt. „Um auf solch eine Steuerschuld zu kommen, hätte ich nur im ersten Halbjahr 2019 einen Umsatz von 15-20 Millionen Dollar, nur in Kalifornien machen müssen. Das wären 150 bis 200 Millionen Dollar im ganzen Land”

Zwischenzeitlich haben die kalifornischen Behörden auf Freifelders Geschichte reagiert, die sich schnell in den Medien verbreitet hat. Man gab zwar zu, dass die Forderung von 1,6 Mio. Dollar wahrscheinlich deutlich zu hoch sei, Freifelder dem Staat aber nichtsdestotrotz Sales Tax schulde. Auch wenn der Fall von Brian Freifelder extrem scheint, ist es doch für jeden Amazon Seller sinnvoll, sein eigenes Sales Tax Szenario und alle aktuellen Entwicklungen jederzeit im Blick zu haben, um vor unliebsamen Überraschungen geschützt zu sein.

ALTON bietet umfangreiche Sales Tax Services an. Dabei ist es unerheblich mit welcher Aufstellung in den USA verkauft wird. ALTON betreut sowohl US-Gesellschaften, EU-Gesellschaften oder auch Einzelunternehmer, die in den USA tätig sind.

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